Siallorhö bei Kindern mit CP – Behandlungsansätze (II)

Kolumne 32 / 1 2022
Von Eva Stephan, Logopädin, Schule für Kinder und Jugendliche mit Körper- und Mehrfachbehinderungen, Zürich

Zehn bis zwölf Musselintücher, die täglich in die Wäsche wandern – ein Kennzeichen von Kindern, die unter Siallorhö (unkontrolliertem Speichelverslust) leiden. Die Tücher müssen regelmässig gewechselt werden und wandern – je nachdem, wieviel Ersatz das Kind im Rucksack hat – in eine Tüte oder werden zum Trocknen und Wiederverwenden aufgehängt.

In der Kolumne 30 wurden Behandlungsansätze gegen den unkontrollierten Speichelverlust vorgestellt. Evidenz gibt es vor allem für medikamentöse bzw. chirurgische Massnahmen und die Frage nach unseren therapeutischen Möglichkeiten wurde nicht weiter erörtert. In der vorliegenden Kolumne wollen wir uns dieser Frage widmen, obwohl die aktuelle Datenlage in Bezug auf Evidenz in diesem Bereich dünn ist.

Kinder, die unter unkontrolliertem Speichelverlust leiden zeigen weniger differenzierte orofaziale Funktionen, haben stärker eingeschränkte oralmotorische Fähigkeiten und tendieren zu einer reduzierten Schluckfrequenz. 1 Ebenso gibt es einen Zusammenhang zwischen dem unkontrollierten Speichelverlust und dem Schweregrad der Dysarthrie. Ein fester Lippenschluss bzw. dessen Abwesenheit ist ein Prädikator für unkontrollierten Speichelverlust. 2 Ebenso wird die Siallorhö durch die Kopfkontrolle beeinflusst. Kinder, die sich nach vorne beugen und über eine schwache posturale Kontrolle verfügen verlieren mehr Speichel. 3 Die genannten Faktoren, welche die Siallorhö begünstigen zeigen auf, dass das Speichelmanagement eine interdisziplinäre Herausforderung ist. Die physiotherapeutische Arbeit an der posturalen Kontrolle und die Optimierung der Sitzversorgung können zu einem verbesserten Speichelmanagement beitragen. Man sollte dabei nicht vergessen, dass auch der Einsatz von Stehgeräten einen positiven Einfluss auf das Speichelmanagent haben kann, da sich die Zunge durch die Fussbelastung in Richtung Gaumen bewegt. Diesen Effekt kann man in einer einfachen Selbsterfahrung erproben, nämlich, indem man aufsteht und dabei beobachtet, welchen Effekt dies auf die Zunge hat.

In der logopädischen Therapie können Massnahmen zur Verbesserung der oralmotorischen Funktionen sowie eine Tonisierung der orofazialen Muskulatur – beispielsweise durch Brushing and Icing – das Speichelmanagement positiv beeinflussen. Die Verbesserung der Funktionen der Nahrungsaufnahme ermöglichen einen längeren und festeren Lippenschluss sowie laterale Zungenbewegungen. Deshalb sollte Esstherapie
bei starker Siallorhö ebenfalls zur Intervention gehören. 4

Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von Mundvorhofplatten für einen festeren Lippenschluss oder zahnärztlich angepassten Vorrichtungen. Ähnlich einer Zahnspange wird die Vorrichtung mit einer Gaumenplatte angepasst und ist mit einer beweglichen Perle versehen, die die Zunge zum Schlucken stimuliert. Eine erhöhte Schluckfrequenz wurde in Einzelfallstudien nachgewiesen. Unklar ist, ob das dauerhafte Tragen der Vorrichtung eine Gewöhnung hervorruft und ein punktuelles Tragen, z.B. nur während der Schulstunden bessere Erfolge erzielt. 5

Die Recherchen und Überlegungen zu unseren therapeutischen Möglichkeiten zur Verbesserung des Speichelmanagements machen deutlich, dass es eine interdisziplinäre Herausforderung ist. Bezugspersonen können Massnahmen angeleitet bekommen, beispielsweise, wie Nahrung angereicht werden kann, dass Lippenschluss und Zungenbewegung günstig beeinflusst werden. Mit diesem Transfer in den Alltag kann gewährleistet werden, dass die Umsetzung hochfrequent und regelmässig erfolgt. So wird Speichelmanagement in den Alltag integriert und die Massnahmen können darüber hinausgehen, jede Stunde die Halstücher zu wechseln.

Quellenangaben

1. Jenner, J., Logeman, J. & Zecker, S. (2004). Drooling, Saliva Production and Swallowing in Cerebral Palsy. Developmental Medicine & Child Neurology. 46: 801-806.
2. Reid, S., Mc Cutheon, J., Reddihough, D. (2012). Prevalence and Predictors of drooling in 7-to14-year-old children with cerebral palsy: a population study. Developmental Medicine & Child Neurology. 54. 1032-1036.
3. Seda, A. & Tamer, C. (2015). An investigation of the relationship of drooling with nutrition and head control in individuals with quadriparetic cerebral palsy. Journal of Physical Therapy Science. 27 (11): 3487-3492.
4. Saliva Control in Children. An information guide for families and clinicians. The Royal Children’s Hospital Melbourne. Retrieved February 22 from https://www.rch.org.au/uploadedFiles/Main/Content/plastic/salivabook.pdf
5. Inga, C., Reddy, A., Richardson, S. & Sanders, B. (2001). Appliance for chronic drooling in cerebral palsy patients. Pediatric Dentistry. 23 (3): 241-242.