Das Bobath-Konzept – Erfahrungen, Veränderungen und Zukunft – Teil I

Kolumne 2 des Bobath Zukunft e.V.
von Karen Bernard & Christine Wimmer.

Karen Bernard ist Bobath-Senior-Lehrtherapeutin und engagiert sich seit über 50 Jahren für das Bobath-Konzept. Sie unterrichtete viele Jahre in mehreren Deutschen Bobathkurszentren. Für unsere Interviewreihe berichtet Sie über ihre Erfahrungen und Erlebnisse zum Bobath-Konzept im Laufe der letzten Jahrzehnte.

Liebe Karen, was waren deine ersten Erfahrungen mit dem Bobath-Konzept?

Meine ersten Erfahrungen mit der `Bobath-Therapie` gehen zurück auf meine Ausbildung zur Physiotherapeutin (früher Krankengymnastin) 1965-67 in Kiel. Im Unterricht Pädiatrie erlebte ich zwei Lehrkräfte, die in der Darstellung der Inhalte unterschiedlicher nicht sein konnten: B. Berg als Bobath-Therapeutin- von der Münchner Schule kommend- offen und nicht `übungsorientiert` sowie D. Freytag (verh. von Aufschnaiter) als Vojta Therapeutin, sehr strukturiert und die Methode vehement vertretend! Im Rückblick habe ich von beiden profitiert:

„Die Großzügigkeit Kindern mit Beeinträchtigungen gegenüber, aber auch das genaue Hinschauen und Benennen von Bewegungen. „

Daher auch zum späteren Zeitpunkt meine Fortbildungen in der Funktionellen Bewegungsanalyse nach Klein- Vogelbach FBL sowie das Interesse an der Posturalen Kontrolle. Nach meinem Grundkurs 1973 in Innsbruck bei Dr. M. Hochleitner und den beiden Bobath- Lehrtherapeutinnen R. Kaier und I. Robl, war ich völlig überzeugt von meinem weiteren Berufsweg (davon hat mich auch die Weiterbildung bei Dr. V. Vojta in München nicht abgehalten).

Im Kurs in Innsbruck gab es den Slogan: „erst Bewegungen beobachten-dann behandeln“.

Dazu durften wir Säuglinge in einem Heim beobachten, um die Normalentwicklung zu bewerten, zu der damaligen Zeit außergewöhnlich! Neben dem fundierten medizinischen theoretischen Unterricht, gab es natürlich auch das `Fazilitieren`, das Hemmen und Bahnen. Auch Skigymnastik gehörte zum Unterricht. Das war dann eine gute Vorbereitung für die Freizeitgestaltung in den Bergen!

Dadurch, dass wir als `Schülerinnen` sehr kollegial behandelt wurden, ist mir mein 1. Bobath- Kurs in sehr angenehmer Erinnerung.

Was waren für dich die größten Veränderungen innerhalb des Bobath-Konzeptes?

Sicher der Paradigmenwechsel in den 1980er Jahren hinsichtlich internationaler Hirnforschungen und die damit verbundenen Definitionen.

Es veränderte sich der Blick auf die kindliche Entwicklung, speziell der frühkindlichen: das Kind als ein aktives nicht reaktives Wesen zu sehen!

Heute ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, im therapeutischen Kontext von Fähigkeiten und problemlösenden Situationen im Alltag zu sprechen. Damals waren wir im Münchner Lehrteam so ziemlich die Einzigen in Deutschland, die die neuen theoretischen Erkenntnisse unterrichteten, zumal Dr. B. Ohrt als Entwicklungsneurologin davon überzeugt war. Sie stand im engen Austausch mit Prof. R. Largo, Prof. R. Michaelis, Prof. Schlack und Prof. Neuhäuser.

Meine Kollegin I. Wiebel-Engelbrecht und ich hatten Interesse an Forschungsergebnissen zur Posturalen Kontrolle und dem Motorischen Lernen im Kinderalter und wir vertieften unsere Kenntnisse in der Bewegungsanalyse FBL. Dadurch konnten wir unsere -oftmals intuitive-praktische Arbeit begründen, handlungs- und alltagsorientiert.

Dies wurde die Grundlage zukünftiger Inhalte bevorstehender Kurse.

Kritisch hinterfragten wir aber auch therapeutische Vorgehensweisen wie beispielsweise das `Preparing for something` oder `Hemmen pathologischer Reflexe (Inhibition), von Schlüsselpunkten aus.

Mit ärztlicher Unterstützung wurden auch diese Fragen beantwortet. Intensive und teilweise heftige Debatten gab es zwischen den Lehrenden auf nationaler (G.K.B.) und internationaler(EBTA) Ebene bezüglich Definitionen. Schlussendlich bewirkte es, dass von Seiten der Gemeinsamen Konferenz Deutscher Bobath- Kurse (GKB) .

  1. ein Curriculum erstellt wurde (1999)
  2. Zertifikate den Zusatz bekam`Therapie auf neurophysiologischer Grundlage

Was hat dazu geführt, dass du nun seit mehr als 50 Jahren dich aktiv für das Bobath-Konzept engagierst?

Rückblickend kann ich sagen, dass es das Kollegen Team im Zentrum für Entwicklungsneurologie und Frühförderung in München war, die das Bobath- Konzept wirklich gelebt und weiterentwickelt haben, interprofessionell und interdisziplinär arbeitend. Von 1973 bis 2000 war ich dort tätig.

Wir tauschten uns aus, besprachen Kinder und Familiensysteme, wir reflektierten unsere eigene Arbeit und haben uns wirklich gegenseitig unterstützt und bereichert.

Fragen entstanden in der Praxis Universitäres Wissen und die Zusammenarbeit mit einem Elternverein, dem damals genannten `LV Bayern für Spastische Gelähmte und andere Körperbehinderung`, bei dem ich angestellt war, war vielleicht das Geheimnis für ein Gelingen, Theorie und Praxis zusammen zu bringen?! Ab meinem 2. Kurs in London 1979 bei Dr. K. Bobath, B. Bobath und J. Bryce als Lehrende, durfte ich dann- nach 5 geleiteten Kursen- als Sen. Lehrtherapeutin KollegInnen ausbilden. Es war eine sehr spannende Zeit für mich und auch eine Herausforderung, da ich mich eher als`Kind-Familie orientiert` gesehen habe.

Heute freue ich mich über viele dieser KollegInnen, wie im Verein Bobath-Zukunft, die sich für das Bobath- Konzept einsetzen! Ich bin selbst engagiertes Mitglied in diesem Verein.

Weiteres bin ich neugierig, wie die physiotherapeutische Arbeit in der Neuropädiatrie aussehen wird……und welche Forschungserkenntnisse es geben wird.

Liebe Karen, wie sieht für dich das Bobath-Konzept in der Zukunft aus?

Ich erhoffe und wünsche mir für Kinder und deren Familien, die unsere therapeutische Unterstützung brauchen, diese mit der Qualität bekommen, die ihnen hilft, den Alltag so zu gestalten, dass sie Erleichterung erfahren, dass der Dialog Platz findet, Probleme anzusprechen, die sie bewegen und gemeinsam möglichst gelöst werden können und dass diese Themen weiterhin in den zukünftigen Bobath- Kursen vermittelt werden. Zudem wünsche mir glaubwürdige Veröffentlichungen zum Spezifischen des ,Konzeptes in Abgrenzungen zu anderen Therapiemöglichkeiten.

Im zweiten Teil unserer Reihe: Das Bobath-Konzept – Erfahrungen, Veränderungen und Zukunft berichtet Elisabeth Eisenberger, Bobath- Lehrtherapeutin aus Traunstein in einem Interview über ihre Erfahrungen und wie sie die Zukunft des Konzepts sieht.