Kolumne Nr 27
Kolumne 27 / 1 2020
Von Petra Marsico
Physiotherapeutin und Doktorandin, Kinder Reha Schweiz, Kinderspital Zürich, Studienleiterin SAKENT | ASEND
Aus Sicht einer Mutter: „Diesen Morgen habe ich meine 10-jährige Tochter bereits 5-mal von einem Ort zu einem anderen gesetzt. Zuerst im Bett aufgesetzt, dann in den Rollstuhl, vom Rollstuhl in den Sitzstuhl in welchem sie am besten ihren Rumpf und die Arme kontrollieren kann, um zu essen. Von dem Stuhl wieder in den Rollstuhl und vom Rollstuhl in den Autositz. Mein Rücken schmerzt! Doch soll ich jammern? Nein, denn mir geht es gut, doch meine Tochter braucht mich!“
Als Kinder-Therapeutin, sage ich, wir betreuen nicht nur die Kinder, sondern die ganze Familie. Gerade in der langjährigen Begleitung sind wir oft die Ersten, die eine Überlastung bei den Eltern erkennen. Ein 1-jähriges Kind mit einer Körperbehinderung ist noch leicht zu heben und tragen. Doch bereits das tägliche Heben und Tragen eines 3-jährigen Kindes kann zu Überlastung führen. Deshalb ist es enorm wichtig, bereits früh an Hilfsmittel und Strategien zu denken, die den Alltag mit einem Kind mit Körperbehinderung erleichtern und die Eltern dementsprechend zu beraten.
Ramezani und Kollegen untersuchten, welche Risikofaktoren, zu lumbalen chronischen Rückenschmerzen bei Müttern von Kindern mit Zerebralparese führen können.1 Es wurden 171 Mütter befragt, 90 davon litten an chronischen Rückenschmerzen, 81 hatten keine Rückenschmerzen. Die Autor*innen identifizierten folgende Faktoren, die chronischen Rückenschmerzen entgegenwirken können: Die Vermeidung von pflegebedingten schädlichen körperlichen Aktivitäten (Heben des Kindes), die Aufrechterhaltung des eigenen Körpergewichts (Body-Mass-Index) und die Wissenserweiterung über korrekte Hebe-/Handhabungstechniken. Diese Studie wurde in Teheran durchgeführt. Alle Mütter in dieser Studie waren hauptberuflich Hausfrauen und somit die Hauptbetreuungsperson der Kinder. Die Kinder waren zwischen 2 und 10 Jahre
alt bei der Befragung. Leider wurde nicht untersucht, ob das Alter der Kinder einen Einfluss auf den Zeitpunkt des Auftretens der Rückenschmerzen hatte.
Eltern sind nach der Geburt eines Kindes stark gefordert und wenn das Kind Einschränkungen hat noch mehr. Es bleibt kaum Zeit für sich selber zu sorgen. Zum Beispiel finden Mütter keine Zeit eine Rückbildungsgymnastik zu besuchen, oder ihre sportlichen Aktivitäten wieder aufzunehmen. Für das Kind mit einer Einschränkung ist es jedoch unerlässlich, dass seine Eltern gesund sind und bleiben. Denn es ist noch
mehr als jedes andere Kind auf seine Eltern angewiesen und wird es vielleicht sein Leben lang bleiben. Umso mehr sollen und dürfen wir uns in der Therapie die Zeit nehmen auf die Gesundheit der Eltern einzugehen, indem wir sie professionell Beraten. Indem wir Hilfsmittel, welche den Alltag vereinfachen, frühzeitig ansprechen und eine Beratung mit einer Hilfsmittelfirma vorschlagen. Ein wichtiger Punkt von Anfang an ist das Handling. Dieses sollte sowohl die Entwicklung des Kindes unterstützen und auch ökonomisch für die Eltern sein. Hier können alle, das Kind und die Eltern, von unserer Expertise profitieren.
Quellenangaben
Ramezani, M., Eghlidi, J., Pourghayoomi, E. & Mohammadi, S. Caring-Related Chronic Low Back Pain and Associated Factors among Mothers of Children with Cerebral Palsy. Rehabil. Res. Pract. 2020, (2020).